2. Internationales Friedenscamp
Vom 5. bis 12. Juli 2018 veranstaltete die Bürgerstiftung Lebensraum Aachen in Aachen-Brand in Kooperation mit der städt. Gesamtschule Aachen-Brand, dem Jugend- und Begegnungshaus Brander Feld und dem Aachener Netzwerk für humanitäre Hilfe und interkulturelle Friedensarbeit e.V. das 2. Internationale Friedenscamp in Aachen.
40 junge Menschen aus 11 Nationen zwischen 16 und 23 Jahren lebten in diesem Zeitraum zusammen in Zelten und beschäftigten sich in kreativen Workshops mit dem Thema „Come Together – Frieden gestalten“.
Partizipation
Von Beginn an wurde großer Wert auf die verantwortliche Mitarbeit Jugendlicher und junger Erwachsener gelegt. Schon die Planungsgruppe der Vorbereitungsphase war zur Hälfte mit SchülerInnen besetzt, die Konzept und Struktur ideenreich mitgestalteten.
Sowohl die Errichtung des Camps als auch große Teile der Selbstversorgung lagen in der Hand der Teilnehmer:nnen. Im Verlauf der Projektwoche planten und regelten die jungen Menschen das Zusammenleben aktiv und engagiert, sodass es nur weniger Hinweise und Impulse bedurfte, um Lösungen zu finden. Die Arbeit in den Workshops lebte von partizipativen Verfahren und war dementsprechend erfolgreich, weil die Akteur:nnen sich sehr mit ihren Tätigkeiten und Ergebnissen identifizierten.
Workshops und Präsentation „Frieden gestalten“
Von allen (besonders den Teilnehmer:innen und Workshopleiter:innen) sind Atmosphäre, Zusammenarbeit, Motivation, Verlauf und Ergebnisse des Camps und aller sechs Workshops hoch gelobt worden. Das bestätigten auch die Gäste der Abschlussveranstaltung.
Die Auswahl der Workshopleiter:innen erwies sich als ausgesprochen glücklich. Die Künstler:innen aus der Region (Aachen und grenznahes Belgien) erarbeiteten Inhalte zum Thema. Besonders hervorgehoben wurde die eigenständige Vorstellung und Erläuterung der Projekte durch die Teilnehmer:innen während der Präsentation.
Rund um diese Kernveranstaltungen lebten die Teilnehmer:innen im Zeltlager. Die engagierte Zusammenarbeit in den Workshops begünstigte die Annäherung der unterschiedlichen Gruppen. Sprachliche Differenzen (Campsprache war Englisch) spielten kaum eine Rolle und wurden erst bemerkbar in den Abendstunden der ersten Tage, als die Gruppen sich zu gemeinsamen Aktionen zusammenfanden und die freien Zeiten eher mit ‚Vertrauten’ verbracht wurden als mit den ‚Fremden’.
Das führte auch zu problematischem Verhalten (Regelverstößen, Isolierung einzelner). Die inhomogene Zusammensetzung erwies sich aber hier als förderlich im Sinne des Projektgedankens („Frieden gestalten“), weil die jungen Leute Spannungen und Regelverstößen selbst problematisierten und gemeinsam Lösungen fanden. Die Bedeutung von friedlichem Zusammenleben trotz aller Unterschiede wurde sehr konkret deutlich und aktiv entwickelt. Gegen Ende des Camps konnte man herzliche Zuneigung zwischen den sehr unterschiedlichen Charakteren und VertreterInnen der verschiedenen Kulturen und Reifestufen beobachten.
Andreas Lux, der Schulleiter der veranstaltenden Schule, kennzeichnete die Atmosphäre so: „Man spürte: das Camp war durchdrungen von Liebe.“
Campgelände und Jugend- und Begegnungshaus (JuB)
Das vom Stadtbezirk Aachen-Brand vorbereitete und bereitgestellte Gelände vor dem JuB erwies sich als geeignet für derartige Veranstaltungen. Das Jugend- und Begegnungshaus fungierte für die Campbewohner:innen Tag und Nacht mit Aufenthaltsräumen, Kaffeeküche und WC als sichere Anlaufstelle; die offene Haltung der Jugendhausleitung unterstützte die Willkommensatmosphäre, die zum Gelingen der Begegnung entscheidend beitrug. Der Wunsch wurde deutlich, das Arrangement ‚Haus und Gelände’ weiter für derartige Lager mit ähnlicher Themenstellung zu nutzen.
Die gleich angrenzende Gesamtschule Aachen-Brand bot ihre Sportanlagen, Duschen, Räume für die Workshops, die Mensa und das Pädagogische Zentrum mit seiner Bühne, das sich ideal erwies für die Präsentation vor etwa 100 Gästen.
Versorgung
Die jungen Teilnehmer:innen übernachteten in Zelten der „Grenzlandjugend Roetgen“, die auch zuverlässig für den Aufbau und Abbau sorgte. Das durchgehend warme und trockene Wetter begünstigten den Campaufenthalt außerordentlich.
Die Mahlzeiten durch die Schulmensa, einen Cateringservice und Selbstversorgung klappte vorzüglich, trotz sehr unterschiedlicher Ernährungsbedürfnisse (halal, vegetarisch, kein Schweinefleisch). Hervorzuheben ist die Fürsorge zweier Schüler der Gesamtschule, die sich von morgens bis abends kümmerten und dafür zeitweise auf die aktive Teilnahme an den Workshops verzichteten.
Öffentlichkeit
Presse, lokales Radio und Fernsehen berichteten vom Friedenscamp. Eine präsentere Begleitung vor allem durch die Zeitungen hätte die öffentliche Resonanz auf das Camp sicherlich noch mehr unterstützt. Andererseits störten die Medienaktionen, vor allem Liveschaltungen des Fernsehens, die Struktur des geplanten Ablaufes empfindlich.
Insgesamt hätten die Ergebnisse und die Botschaft „come together – Frieden gestalten“, die von dem Friedenscamp authentisch dargestellt wurde, eine größere Resonanz in der Öffentlichkeit verdient. Der eindrucksvolle Dokumentarfilm über den Verlauf des Projektes kann da aber sicherlich noch manche Lücke schließen.
Für die Zukunft bietet sich hier noch Verbesserungspotential.
Internationalität und Diversität
Der Kooperationspartner „Aachener Netzwerk für humanitäre Hilfe und interkulturelle Friedensarbeit e.V.“ vermittelte junge Erwachsene aus Serbien (6) und Bosnien (13), die z.T. schon Erfahrungen aus ähnlichen Austauschtreffen mitbrachten. Die Schülerinnen und Schüler aus den internationalen Klassen der städtischen Hauptschule Aachen-Drimborn, aus Belgien und der Gesamtschule Aachen-Brand vertraten zusätzliche 9 Nationen: Iran (2), Syrien (6), Franz. Guinea (1), Réunion (1), Afghanistan (3), Rumänien (1), Irak (1), Belgien (1) und Deutschland (5).
Das Zusammenwirken der Erfahrungen, die die einzelnen Campbewohner:innen mitbrachten, bereicherten den Verlauf außerordentlich: Krieg, Vertreibung, Flucht, Verlust der Familie oder enger Verwandter mündete in kreative Aktivitäten, Kooperation und gegenseitige Unterstützung, was unter Leitung der KünstlerInnen zu Ergebnissen führte, die in dieser Qualität nicht zu erwarten waren. Das Leitmotiv, die Auseinandersetzung mit Konflikt und Frieden, wurde in allen Gruppen vielfältig und überzeugend verarbeitetet und präsentiert.
Exemplarisch steht die Formulierung eines jungen Mannes aus Réunion, der für sich die Woche so zusammenfasste: „Frieden können wir nicht fordern oder bekommen, wir müssen ihn in uns tragen.“
Rahmenveranstaltungen
Die Rahmenveranstaltungen, Teilnahme am Aachener Friedenslauf und einem Einführungsworkshop durch einen erfahrenen interkulturellen Mediator, stimmten hilfreich auf das Thema ein und verschafften öffentliche Aufmerksamkeit über den Raum des Camps hinaus. Das Engagement der Friedenscamper:innen erhielt durch einen Empfang durch Bürgermeisterin Hilde Scheidt im Aachener Rathaus auch die entsprechende Würdigung. Eine Fotorallye verband den Besuch des Stadtkerns spielerisch mit der Wahrnehmung Aachener Sehenswürdigkeiten und Besonderheiten.
Als Anerkennung für ihr Engagement verlieh die Bürgerstiftung Lebensraum Aachen der Gesamtschule Aachen-Brand zum Abschluss der Projektwoche den Titel „Aachener Friedensschule 2018“.
Förderer und Unterstützer
Ohne die großzügige Finanzierung durch das Förderprogramm der Europäischen Union Erasmus+ wäre die Umsetzung des Projektes nicht realisierbar gewesen. Das gilt ebenso für die Verwirklichung der Workshops, deren Kosten die Kulturstiftung „F. Victor Rolff“ übernahm, die erheblichen Zuschüsse des „Netzwerk Aachener Schulen gegen Gewalt und Rassissmus“, des Aachener Rotary Clubs, des Bezirks Aachen-Brand und Hermann Dulle, der statt Geburtstagsgeschenken einen erheblichen Betrag einsammelte und uns zur Verfügung stellte.
Intersport Drucks, Bäckerei Moss, Villa Kunterbunt, Cambio-Carsharing stellten auf Anfrage sofort Sachspenden bereit, die sehr zum Gelingen des Unternehmens beitrugen.
Im Namen aller Beteiligter sagen wir dafür herzlichen Dank.
Am Ende bin ich fertig, aber glücklich.
Das Geschenk des Friedenscamps 2018 in Aachen ist für mich der Hoffnungsschimmer, dass Frieden gelingen könnte. Dafür sage ich allen, die dazu beigetragen haben, vor allem aber den jugendlichen Teilnehmer/Innen herzlichen Dank. Das hätte ich nicht erwartet...
Tom Reissen